Armut (Anton Wildgans)

Erscheinungsjahr: 1914

Leseprobe:
Im Hintertrakte eines alten Vorstadthauses das sogenannte Speisezimmer der Familie Spuller. In Wirklichkeit zwar auch der Raum, in dem gegessen wird, zugleich aber jener, wo Vater und Sohn schlafen. Das Zimmer ist ziemlich weitläufig und niedrig, hat brauneingelassenen Fußboden und altmodisch blaugemalte Wände, macht aber den Eindruck großer Ordentlichkeit. – In der Hintergrundwand links ein Fenster, durch das man in den Lichthof einer Zinskaserne und schiefgegenüber auf das Milchglasfenster eines Abortes blickt, das abends matt erleuchtet ist. In der Fensternische ein hinfälliger Nähtisch. Rechts in der Hinterwand eine einflügelige, weißgestrichene Tür in die Küche hinaus, die zugleich Vorzimmer ist. Zwischen dieser Tür und dem Fenster ein weißer, schwedischer Ofen, auf dem ein ausgestopfter Rabe steht. – In der Mitte der Links- und Rechtswand je eine Tür. Die linke führt in das Kabinett, wo Mutter und Tochter schlafen, die rechte würde die Verbindung mit dem Zimmer des Zimmerherrn herstellen. Es ist jedoch ein roter Lederschlafdiwan vor sie geschoben. Jenseits der beiden Türen links und rechts ein braunpolierter Kasten. – Ganz vorne rechts steht ein alter Sekretär aus gedunkeltem Kirschholz, ein Familienerbstück im Empirestil. Er ist aufgeklappt und dient als Schreibtisch und Bücherregal. Oben darauf zwei ziemlich angerußte Gipsbüsten Goethes und Schillers, wie man sie bei italienischen Hausierern wohlfeil zu kaufen bekommt. – Ganz vorne links ein gleichfalls altertümliches Bett, über das eine dunkelrote Decke gebreitet ist. Seine Kopflehne ist verhältnismäßig hoch, die Lehne am Fußende ganz niedrig. – In der Mitte des Zimmers ein runder Tisch mit einigen Sesseln...
Autoreninformationen: Anton Wildgans

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