Spielerisch zum Profi werden

Dass noch kein Meister vom Himmel gefallen ist, ist eine nur allzu wahre Binsenweisheit. Selbst mit angeborenem Talent sind ohne Übung schnell Grenzen erreicht, ob es nun ums Musizieren, Schach spielen, Sport oder eine andere Aktivität geht.

Die berühmten 10.000 Stunden, die es dauern soll, ehe sich die harte Arbeit bezahlt macht und Erfolg einsetzt, ist dabei natürlich nur eine geschätzte Nummer. Tatsache ist aber, dass selbst Wunderkind Wolfgang Amadeus Mozart Tausende von Stunden mit Üben verbracht hat, und auch für Genies wie Albert Einstein galt das Motto: „Ohne Schweiß kein Preis“. Dabei gilt allerdings auch im Umkehrschluss, dass eine Begabung für eine bestimmte Sache zwar hilfreich ist, aber wer wirklich Erfolg haben will, sollte bereit sein, sich dem Studium seines Hobbys oder Berufszweigs mit Ausdauer und Leidenschaft zu widmen. Sogar wenn auf den ersten Blick kein besonderes Talent für etwas zu erkennen ist, lassen sich doch einige Fähigkeiten auch erlernen.

Dank dem Internet sind die Möglichkeiten dazu immer größer geworden, und vieles lässt sich sogar allein studieren. Wer besser durchs Hören lernt, kann sich in Webinars und über Hörbücher Vorlesungen ins Wohnzimmer holen. Bücher und Zeitschriften sind ebenso als elektronische Medien zu finden wie in papierener Form in Bibliotheken und Buchhandlungen.

Experten sind sich zwar einig, dass Bücherweisheit nachhaltiger ist als online Gelesenes, weil eine andere Art der Konzentration erforderlich ist und weniger im Material bereits eingebaute Ablenkungen vorhanden sind, aber hilfreich sind alle Formen des Lernens.

Das gilt auch für Spiele aller Art. Wer beim Daddeln auf Dauer Erfolg haben will, muss zunächst die Regeln kennen und verstehen. Ist man mit dem Rüstwerk vertraut, kann die Praxis geübt werden. Meist ist das sogar allein möglich, ohne dass ein Mitspieler die Konzentration stört. Das gilt auch für Spiele wie Craps. Würfeln an sich ist nicht schwierig, aber nur, wer das Spiel und die verschiedenen Craps-Tipps studiert, kann intellektuell verstehen, wie die mathematischen Wahrscheinlichkeiten die Gewinnchancen bei Wetten beeinflussen und wie sich das Risiko minimieren lässt.

Schachprofis verbringen meist Jahre damit, die vergangenen Partien von Großmeistern zu studieren, Eröffnungszüge auszuprobieren, oder wie im Netflix-Hit „The Queen’s Gambit“ die eigenen Partien und die von Gegnern allein im stillen Kämmerlein nachzuspielen und auf Schwachstellen zu überprüfen oder andere Züge zu testen. Weil bei Schach sämtliche Informationen auf dem Spielbrett zu sehen sind, wird das Königsspiel seit Jahrzehnten als einer der Prüfsteine für die Entwicklung von künstlicher Intelligenz eingesetzt. Dabei haben die Computerhirne seit geraumer Zeit die Vorherrschaft, aber die Menschen schlagen sich tapfer, weil bei aller Vorhersagbarkeit individuelle Strategien und die Entscheidung für Risiken selbst eine künstliche Intelligenz für gewisse Zeit überraschen können.

Selbst manche Sportarten lassen sich mittlerweile dank Simulationen allein trainieren. Zwar wird kein Fußballer zum Star, ohne auf dem echten grünen Rasen gestanden zu haben und im Team zu trainieren, aber Spiele wie FIFA erlauben es den Kickern, am Computer ihre Reaktionsfähigkeit zu verbessern und festzustellen, welche Taktik erfolgreich ist und wo die eigenen Schwachstellen liegen.

Der Weg in die Profi-Ligen fängt deshalb für die meisten erfolgreichen eSportler über das Spielen nach Schulschluss oder in den Pausen an. Kein Wunder, dass die zwei jüngsten eSports-Weltmeister gerade mal 16 Jahre alt waren, als sie den Titel in ihren jeweiligen Meisterschaften holten. Syed Sumail „SumaiL“ Hassan sicherte sich 2015 den Weltmeistertitel in „Dota 2“ und einen Preistopf in Millionenhöhe. Nur knapp einen Monat älter als „SumaiL“ war Kyle „Bugha“ Giersdorf, als er sich in „Fortnite“ den Titel holte.

Auch die Stars der virtuellen Fußball-Ligen sind seit ihren Teenagerzeiten als E-Sport-Profis aktiv. Der amtierende Titelträger im FIFa eWorld Cup, der 23 Jahre alte deutsche Mohammed „MoAuba“ Harkous, holte als 19-Jähriger mit dem SK Gaming seinen ersten Meistertitel. Danach ging es erst mal wieder Auf und Ab in seiner Karriere, ehe er als virtueller Bundesliga-Kicker beim Werder Bremen zu seiner derzeitigen Form fand, die ihm außer der mit 250.000 US-Dollar dotierten Weltmeisterschaft 2019 auch gemeinsam mit seinem Teamkollegen Michael „MegaBit“ Bittner den deutschen Meistertitel einbrachte. Mittlerweile hat „MoAuba“ die Werderaner verlassen, um in der Schweiz seine E-Sportlerkarriere fortzusetzen.

Der erste deutsche Pokerweltmeister, Pius Heinz, hat ebenfalls online seine Laufbahn begonnen. Der damalige Student, der schnell sein Talent und seine Begeisterung für das genauso auf psychologischen Kenntnissen wie auf mathematischem Wissen basierende Kartenspiel entdeckte, arbeitete sich systematisch von Probespielen am Computer, bei denen sich jeder Spielzug notieren und hinterher studieren und analysieren lässt, zu kleineren Online-Turnieren und schließlich den großen Ereignissen vor. Das Zocken im eigenen Wohnzimmer bereitete ihn so gut auf Live-Turniere vor, dass diese ihm mangels Tempo fast langweilig erschienen. Die Weltmeisterschaft 2011 machte den damals 22-Jährigen zum Multimillionär.

Dabei gehört Pius Heinz zu den Ausnahmen unter den eSportlern, weil er erst nach seinem Abitur im Alter von 18 Jahren überhaupt mit dem Spiel angefangen hatte. Allerdings sagt er selbst, dass es nie zu alt ist, mit etwas anzufangen. Den Beweis erbrachte auch der Münsteraner Hossein Ensan, der acht Jahre nach Heinz 2019 den Weltmeistertitel in Las Vegas und einen zehn Millionen US-Dollar schweren Topf holte. Der älteste Champion seit 20 Jahren spielt erst seit 2013 regelmäßig bei großen Turnieren.

Das Alter kann in vielen Spielen sogar ein Vorteil sein, weil Impulsivität häufig zu Fehlern führt und Erfahrung sich beim strategischen Denken und mentaler Zähigkeit bezahlt machen kann.

Ob 1000, 10.000 oder mehr Stunden – Übung macht tatsächlich den Meister, aber wenn etwas aus Leidenschaft gemacht wird, vergehen die Trainingsstunden wie im Flug. Das gilt fürs Hobby genauso wie für den Profibereich.

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